Fahrt durch eine Revolution oder das ganz normale Leben?!?

Regen regen regen…

aus dem Grund kommen wir nur langsam voran und haben noch gut 150 km durch Costa Rica Richtung Nicaraguanische Grenze zu fahren. Als wir mit Mühe ein kleines Restaurant am Strassenrand erkennen können nutzen wir die Gelegenheit zum anhalten und eine Pause zu machen. Der Chef dirigiert uns unters Vordach, so dass wir beim Ein- und Aussteigen trocken bleiben. Wir bestellen uns was zu essen und warten geduldig auf das der Regen nachlässt aber es wird nicht besser, es schüttet wie aus Eimern, ach was sag ich Badewannen, Sturzbäche ganze Wasserfälle kommen hier runter. In dem Moment, müssen wir an einen Kumpel denken der auch grad in Costa Rica unterwegs ist und uns vor ein paar Tagen noch sagte "gar nicht so schlimm die Regenzeit hier". Ich bin gespannt ob er nach dieser Nacht seine Aussage revidiert.

 

Inzwischen rettet sich alles ins Restaurant, Grasshüpfer, Spinne, Gecko, alles kommt daher…… Die Engländer sagen "it rains cats and dogs", in Costa Rica kann man getrost sagen 'it rains Elephants and Hippos‘. Das übertrifft wirklich alles was wir bisher gesehen haben. Irgendwann können wir endlich weiter und gegen 23:30 erreichen wir La Cruz das 20 km vor der Nicaraguanischen Grenze liegt und wo wir eigentlich schon vor sechs Stunden ankommen wollten.

 

Wir sind nicht nur wegen des starken Regens sechs Stunden später dran als geplant sondern auch weil der Zoll unsere Weiterreise behinderte indem er unser aus Deutschland bestelltes Ersatzteil nicht hergeben wollte. Aber Hauptsache man schickt es per Express was den Costa Ricanern aber herzlich egal ist! Am ende lag es schon über eine Woche beim Zoll rum und Manuel der bei der Iveco Werkstatt in San José arbeitet und für Import und Export zuständig ist, war insgesamt fünfmal im Zollbüro bis er das Päckchen endlich ausgehängt bekam.

 

Unser Zündschloss hatte schon seit einiger Zeit immer mal wieder gesponnen und wir konnten Muggl manchmal nicht abstellen, auch wenn wir den Schlüssel abgezogen haben, lief er einfach weiter. Da wir damit nicht irgendwo liegen bleiben wollen, vor allem nicht in Nicaragua, hatten wir beschlossen es auszutauschen. In letzter Minute hat das dann doch noch geklappt, wir hatten eine Deadline gesetzt und 20 Minuten vor Ablauf der Zeit kam Manuel freudestrahlend mit unserem Päckchen an. Der Einbau hat nur ca.15 Minuten gedauert. Schon Wahninn, da wartet man Tagelang und in 15 Minuten ist das Teil dann ausgetauscht! 

 

Es ist Donnerstagvormittag der 21. Juni und wir warten auf dem Parkplatz der Tankstelle in La Cruz auf unsere Companeros, denn wir werden Nicaragua nicht alleine durchqueren. Die Tanks sind voll, Wasser und Lebensmittel sind auch aufgefüllt. Während der Wartezeit befrage ich Truckerfahrer die von Norden kommen wie denn die Fahrt durch Nicaragua war. Schwierig, antworten sie, wir sollen auf keinen Fall alleine durchfahren und uns am besten einem Costa Ricanischen Truck Convoi anschließen (Die würde man sowohl am Nummernschild erkennen, als auch an großen gelben Plaketten mit der Länderkennung CR an allen Seiten des Trucks) die würden uns zwischen sich nehmen, ausserdem haben sie ihre Ausweichrouten. Keine schlechte Idee! Denn seit Wochen tüftle ich an einer Route durch das kriesengebeutelte Land - anhand Berichte anderer Reisenden die vor kurzem durchgereist sind, sowie Nachrichten und Verkehrsberichte.

 

Um kurz vor 12:00 mittags sind wir abfahrbereit und erreichen die Grenze auch schon 20 Minuten später. Aus Costa Rica sind wir schnell raus und die Einreise nach Nicaragua ist nicht wirklich schwierig. Ein bisschen chaotisch und unorganisiert, was aber nicht an der momentanen Lage liegt, sondern offenbar immer so ist. Den Herrn am Schalter, wo wir die Fumigation (das besprühen mit Chemischen Zeugs gegen Getier) bezahlen, müssen wir erst mal aufwecken, die Frau bei der wir die Versicherung für Muggl abschließen Häkelt ganz entspannt und der Mensch der Muggl inspizieren soll muss erst aus der verlängerten Mittagspause geholt werden. Die Leute hier sind gelassen, keine Spur von Revolution, niemand macht uns Angst oder fragt ob wir uns auch wirklich sicher sind, dass wir nach Nicaragua wollen. Aiden und Joanna brauchen an der Grenze ein bisschen länger, denn sie haben einen Hund dabei. Semuc ist Mexikaner und muss ordnungsgemäss angemeldet werden, denn auch ein Vierbeiner hat einen Reisepass. Gegen halb drei, mit einigen Wartezeiten und einer Mittagspause sind wir endlich fertig. An diesem Tag fahren wir nur noch knapp 10 km an einen kleinen Strand am Lago Nicaragua, wo wir mit Fleischpflanzerl und Pasta den Sonnenuntergang genießen und früh ins Bett gehen. Aiden hat uns eine Eskorte besorgt und so klingelt um halb 5 der Wecker! Ich kann mich nicht erinnern wann ich zum letzten Mal mit Wecker aufgestanden bin, geschweige denn so früh. Schnell Kaffeetrinken, alles verstauen und es geht los.... fast! Denn gegen halb eins in der Nacht hat es mal für eine Stunde richtig geschüttet und den Untergrund so richtig schön eingeweicht, man konnte sogar noch erkennen, dass neben Muggl ein Bach vorbeigelaufen ist. Das Wasser ist zwar schon versickert aber der Boden ist noch so richtig schön weich und schlammig. Aiden fährt sich fest und kommt rückwärts die leichte Steigerung alleine nicht mehr hoch. Also Muggl dahinter gespannt und ziehen, wir sind immer wieder erstaunt wie leicht er zum Teil viel schwerere Fahrzeuge wie er selbst  ist, ziehen kann.

 

5:15 Uhr - mit 15 Minuten Verspätung kommen wir in Rivas an der Puma Tankstelle an, wo wir unseren ersten... ich nenn ihn mal „Schlepper“ treffen. Der Mann steht neben einem Motorrad und winkt uns gleich zu, er stellt sich mit Roni vor und begrüßt uns herzlich. Wir folgen ihm die ca. 15 km im Zickzack durch drei umliegende Dörfer, denn in Rivas gibt es zwei Strassenblockaden (Tranques genannt) die von Anhängern der Studentenbewegung aufgebaut wurden und das Tägliche Leben vor allem dem Transportverkehr blockieren sollen. Aiden ist in einer WhatsApp Gruppe von Nicaraguanern, die Touristen durchs Land navigieren und ihnen bei Umfahrungen helfen, Roni ist einer von ihnen. So hatten wir am Abend davor noch die Nachricht bekommen, dass eine Sperre von Regierungsanhängern abgebaut worden wäre, kurz danach aber die Info sie wurde schon wieder aufgebaut. Die Umfahrung verläuft problemlos und Roni verabschiedet sich noch herzlicher als er uns empfangen hat das Bier, dass wir ihm schenken wollen nimmt er nicht. Wir sollen es für den nächsten aufheben.

 

7:25 Uhr - den nächsten „Schlepper" treffen wir 53 km weiter am Ortseingang von El Rosario. Welch Überraschung, es sind gleich drei, Frank, der Fizepräsident des Nicaraguanischen Motorradclubs "Güegüenses Nicaragua"  zusammen mit Jorge und Betsy. 18 km bis kurz vor San Marcos begleiten uns die drei durch schmale Feldwege, wo einmal sogar ein Pferdtrolley zur Seite gehoben werden muss damit wir durchkommen. Die letzten 135 km unserer heutigen Etappe müssen wir alleine schaffen, daher gehen wir unsere weitere Route mit Frank durch und er meint wir sollten keine weiteren Probleme haben. 8:25 Uhr - wir verabschieden uns und machen Erinnerungsfotos und werden jetzt auch noch unser Bier los. 

 

Kurz nach San Marcos kommen wir mit Abstand von ca. 8 km an zwei Police Checkpoints vorbei, die von Maskierten, bewaffneten jungen Männern übernommen wurden und an dem jeweils zwei Männer patrouillieren. Später erzählt uns jemand, diese würden nicht der Studentenbewegung angehören sondern würden die Situation nur ausnutzen. Gestoppt werden wir an keinem der beiden, die ersten winken uns durch und die zweiten stehen nur neben der Straße und schauen dem Verkehr zu. 

10:28 Uhr - und 90 km später ein Stau am Ortseingang von La Paz. Straßenverkäufer laufen die Reihe ab und wir erkundigen uns was hier los ist, Baustelle, Unfall,….??? Es ist tatsächlich ein Tranque, also eine Blockade. Eine Frau sagt wir könnten vor fahren und 20 oder 30 cordobas (54 - 82 Euro Cents) bezahlen, oder einfach warten, die würden jede Stunde Fahrzeuge durch lassen. Wir beschließen an den LKW‘s (und es waren ausschließlich LKW’s) vorbeizufahren und ggf. zu bezahlen! Als wir vorne ankommen, kommen uns zwei der ‚Blocker' gleich entgegen, als sie dann aber "Turista + Alemania" auf unserer

 

Windschutzscheibe lesen, wird die Blockade sofort zur Seite geräumt und wir dürfen ohne etwas bezahlen zu müssen passieren. La Paz ist ein kleiner Ort und wir beschließen durchs Dorf zu fahren und nicht die Umgehungsstraße zu nutzen, da wir dort weitere Blockaden vermuten. Als wir aber fast schon aus dem Ort draußen waren, verzögert sich unsere Fahrt schon wieder, um einen fast verhungerten Welpen zu füttern der ist so mit einer Mango beschäftigt, dass er die Schüssel Futter und mich erst bemerkt als ich sie ihm unter die Nase schiebe. Er schwänzelt wie verrückt und futtert schnell, da ist die Mango sofort uninteressant oder dient hernach als Desert. Für sowas nehmen wir uns immer Zeit!

 

11:14 Uhr  - wir erreichen nach ca. 6 Std. und 263 gefahrenen Kilometern Malpaisillo wo wir bei Jimmy, einem Freund von Aiden und Joanna unterkommen. Jimmy ist 22 Jahre alt und hat vor kurzem die Uni geschmissen und eine Bar eröffnet, stolz zeigt er uns seinen neuen Boden, der aus schwarzem Sand besteht. Wir hätten nicht gedacht, dass wir so zügig vorankommen und eigentlich hätten wir den Rest auch noch fahren können, aber der Zwischenstopp bei Jimmy war abgemacht und er freut sich, dass wir da sind. Also richten wir uns ein und es fühlt sich fast an als würden wir etwas verbotenes tun, wir verstecken uns Tagsüber in einer Bar, lassen uns vom Besitzer über die Lage im Land aufklären und warten auf den nächsten Morgen um wieder ganz früh loszufahren. Am Nachmittag macht Jimmy einen kleinen Stadtrundgang mit uns, eher ist es ein Dorf und auch dieser kleine Ort hat seit kurzem einen Tranque, also eine Blockade, sie steht da mehr als Mahnmahl um sich mit den Studenten solidarisch zu zeigen. Da wir den grössten Teil des Landes schon geschafft haben und es am nächsten Tag nur noch 77 km bis zur Grenze sind, geht es nicht ganz so früh los. Der Norden des Landes ist weniger dicht besiedelt und sehr flach, sodass dort hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wird erklärt Jimmy. 

 

6:30 Uhr - unsere einzigen Roadblocks an dem Tag sind drei Rinderherden und die sind recht schnell wieder weg, somit verläuft die Fahrt problemlos und ohne jegliche Anzeichen von "Tranques“. Vor der Grenze ist wie immer eine Schlange LKW‘s und egal wie schnell sich eine Schlange bildet, die Straßenverkäufer sind vorher da. So will uns gleich mal einer weismachen, dass die Polizei uns vermutlich nicht durchlassen werde. Aber das wollen wir doch erstmal selber sehen und so fahren wir wie immer an der langen Schlange vorbei. 

 

8:09 Uhr - wir erreichen den Parkplatz vor dem Grenzgebäude, weit und breit keine Polizei in Sicht, weder auf dem Weg zur Grenze noch an der Grenze. Überhaupt haben wir in ganz Nicaragua keinen einzigen Polizisten gesehen, nirgendwo! Was die Nicaraguaner jetzt natürlich ausnutzen, denn wie uns ein junger Bursche erklärt, würden sie jetzt ja alle ohne Führerschein fahren... Ja wenn’s nur das ist! Die Polizei steht unter dem Scheffel der Regierung und steht ausserdem unter verdacht Studenten erschossen und Häuser angezündet zu haben, wobei auch Menschen ums Leben gekommen sind, und somit ist auch sie der Feind. 

 

Fazit unserer Fahrt durch Nicaragua: 

Die Nicaraguaner haben sich sehr um uns bemüht, waren freundlich und hilfsbereit, wir haben uns nie unsicher gefühlt oder Angst gehabt. Natürlich mag es schwarze Schafe geben, so wie jene jungen Männer die die beiden Police Checkpoints übernommen haben, ich nenn die jetzt mal Hooligans, und die gibts in Deutschland oder der Schweiz schon beim Fußball ganz ohne Revolution. Das Leben geht hier weitgehend normal weiter, an Strassenbaustellen wird gearbeitet, Männer ziehen Stromleitungen oder mähen die Grünflächen neben der Schnellstrassen. Auch der Schwerverkehr läuft, halt auf Umwegen aber er läuft. Weder an der Grenze bei der Einreise noch bei der Ausreise hatten wir das Gefühl es wäre was nicht in Ordnung.  Wochenlang hatten wir vorher die Lage beobachtet, Berichte von anderen die vor kurzem durchgefahren sind gehört und gelesen. Haben Zeitungen, Nachrichten und diverse Foren verfolgt, letztendlich kommt es aber immer auf die Menschen vor Ort an denn morgen kann schon wieder alles ganz anders sein ...

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